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Bild 12, "Virus" (1997)

Öl/Fotokarton, 68 x 48 cm



 

Fraktale Malerei in der Natur der Dinge

 

Wie wir bereits richtig vermuten, und was eigentlich aus diesen, den bisherigen Bildern hinzugefügten Texten hervorgeht, kann man in dem Abbild eines fraktalen Themas in der Malerei, unzählige unterschiedliche, vielfältige und komplette Universen entdecken oder entschleiern. Diese Universen können dem jeweiligen Betrachtungswinkel entsprechen, und sind sicherlich in ihrer Zahl, Auffindbarkeit und Intensivität von der Auffassungsgabe und -bereitschaft des Betrachters abhängig:

 

Die labyrinthischen Bahnen einiger Auflösungsorganisationen weisen in ihrem Aufbau manchmal Ähnlichkeiten mit den Windungen eines menschlichen Gehirns auf, andere wiederum sind vergleichbar mit Satellitenaufnahmen von der Erde, mit erkennbaren Flüssen, Seen und Gebirgen darauf. Wie Risse auf einer versturzgefährdeten Höhlendecke, fressen sie "Höhlen" in das Raumzeitgefüge, mit immer kapillarer werdenden "Karstspalten"; und umgekehrt fressen sich "Höhlengänge" der Raumzeitlichkeit des materiellen Geschehens in die auflösungsorganisierten Prozesse, mit Materieschächten, die ebenso in diesem kapillaren Netzsystem , das sich durch die meisten Auflösungsstrukturen zieht, verzweigt sein können, je nach Intension der Auflösungsprozesse.

 

Um es noch einmal zu wiederholen, die Phänomene der Auflösung sind subtil und vollziehen sich nicht sichtbar und zu jeder Zeit. Nur durch die fraktale Malerei, die sich einem Zustand der (eingefrorenen) Sichtbarmachung annähert, können diese, scheibchenweise, durch Zugang zu der Energie-Persönlichkeits-Dimension, in der das Raumzeitgefüge projiziert ist, ähnlich der Bilder eines Computertomographen, einem größeren Publikum, erstmalig in all ihrer morbiden Schönheit und in all ihrer majestätischen Ästhetik des Untergangs, zugänglich gemacht werden.

 

Da die Auflösung des dargestellten raum-zeitlichen Geschehens (RZG) von einem Blickwinkel des Betrachters aus gesehen, an Landschaft erinnert, die von Satelliten aus aufgenommen worden sein könnte, kann man sagen, daß sich in diesen Erscheinungen nicht nur das jetzige und ein oder mehrere zukünftige (vergangene) parallele RZG spiegeln, sondern gleichzeitig, in Form von Auflösungsformationen unterschiedlichster Intensitätserscheinungen, eine eigene individuelle neue Dimension dargestellt wird, die mit dem raum-zeitlichen Geschehen aller materieller Dimensionen kaum noch etwas gemein zu haben scheint, aus denen heraus sie aber selbst existiert. Die Wahrnehmung (der Blickwinkel) der gewünschten Dimensionalität in einem beliebigen RZG wird also vom Betrachter individuell durch Fokusierung oft unterbewußt ausgewählt, und muß der Wahrnehmung eines Anderen in keinster Weise gleichen.

 

Da sich die Flüsse und Gebirge, die sich analog zu ihrer früheren, materiellen, noch nicht zersetzten Natur aber auch in unseren Auflösungsstrukturen wiederfinden, nur aus anderer ( Satelliten-) perspektive und in einem anderen Kontext (Fokus) betrachtet, bleiben sie als diese erkennbar und werden auflösungsdimensional, innerhalb der fraktalen Malerei, zur raum-zeitlich materialisierten, wahrnehmbaren (und vielleicht nur individuellen) Wirklichkeit (die möglicherweise nur zwischen unseren menschlichen Gehirnwindungen existiert) addiert und manifestiert. Das heißt wiederum auch, sofern wir den Umkehrschluß zulassen, und ihn, von der Malerei weg, auf die er ja, wie wir gesehen haben, wunderbar zugeschnitten zu sein scheint, auf unsere unmittelbar erlebbare Realität anwenden können, daß wenn wir die Flüsse und Gebirge unserer Erde aus der Luft betrachten, auf die in der festen Materie sichtbar gewordenen Einflüsse unserer eigenen (und vielleicht wiederum nur individuellen) Auflösungsprozesse stoßen können.

 

(Psychologie der fraktalen Malerei, oder ich bin das Bild)

 

Die Anschauungsweise in der Fraktalen Malerei schafft mit jedem neuen Bild zwar unzählige neue Universen und weist indirekt auf weitere und vielleicht verstecktere hin.

 

Aber unendliche, noch ungesehene Universen der unterschiedlichsten Art sind in jeder Ecke auf einem weißen, leeren Karton verborgen, vielleicht nur darauf wartend, endlich ans Licht gebracht zu werden.

 

Je nach dem, mit welchem Strich und welcher Farbe ein Künstler auf einen bestimmten Platz auf diesem leeren Karton einwirkt, was heißt, mit der Entscheidung, die er fällt (und jeder Versuch fällt nach Erfahrung selbst bei gleichbleibenden Bedingungen anders aus), kann er einem bestimmten ungesehenen, nur für ihn vielleicht wahrnehmbaren Universum davon, in die materielle Welt des Betrachtet- Werden- Könnens und an das Tageslicht verhelfen; wobei er in Kauf nehmen muß, daß er bei diesem kreativen Erschaffungsprozess, die weit beträchtlichere, unendlich umfangreichere, an Unendlich grenzende Summe von Wahrscheinlichkeiten für die Erschaffung von noch ungesehenen, vielleicht auch unvorstellbaren Universen, welche aber durch seine bestimmende Entscheidung von jeglicher Möglichkeit für immer beraubt sein werden, selbst abgebildet zu sein und betrachtet werden zu können, ignorieren und verwerfen muß.

 

Wenn der Betrachter von Bildern in diesen Dingen geschult ist, sollte es ihm möglich sein, außer dem offensichtlich herausgearbeiteten Universum, für welches sich der Künstler letztlich entschied, selbst noch weitere nicht hervortretende und sogar vom Künstler verworfene Universen, durchaus materieller aber auch psychologischer Art, ausfindig machen zu können. Diese Fähigkeit nennen wir in der fraktalen Malerei, zwischen den Farb-Pigmenten eines Bildes lesen zu können.

 

Des Künstlers Festlegung agiert also hier in der fraktalen Malerei, als ein kreativer, aber definitiv tödlicher Virus für die unendlich vielen vernachlässigten, ignorierten und verworfenen, möglichen und unmöglichen Universen, die ebenfalls hätten ans Licht gebracht werden können. Denn am Anfang, auf dem weißen, reinen Karton herrscht noch Gleichberechtigung. Für den Künstler ist das oft ein hartes Los. Eine Bürde vielleicht sogar, die durchaus auch Selbstzweifel am individuellen Schöpfungsprozess aufkommen lassen kann. Wenn der Virus aber seinen Wirtskörper tötet, sich den Ast absägt, auf dem er sitzt, ist auch dieser dazu verdammt, zu sterben. Aber der fast unüberwindbare Drang wenigstens eines dieser latend und im Überfluß vorhandenen Universen aus ihrer körperlosen Unsichtbarkeit und materiellen Unschuld des weißen Kartons zu befreien, ist es, der den fraktalen Künstler trotz aller Gefahr für Gesundheit und Leben, ganz zu schweigen von dem karmischen Risiko, das er dabei vielleicht einzugehen vermag, dazu bringt, immer wieder aufs Neue Entscheidungen zu fällen, um dadurch etlichen wahrscheinlichen Fast-Existenzen das Lebenslicht auszublasen, bevor es überhaupt zum Leuchten kam.

 

Rote, tote Monde um einen berstenden Stern. Ein Ebola-Virus.

 

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